Los Glaciares
Das erste Stueck des gigantischen Gletschers sehen wir in einem Laden in Villa O’Higgins, wo es locker die halbe Tiefkuehltruhe fuellt. Dieses Eis sei Jahrtausende alt schwaermt der Besitzer des kleinen Ladens und streicht liebevoll ueber dessen kalte Oberflaeche…
Das zweite Stueck Eis sehen wir in Form eines verlorenen Eisbergs an unserem Boot vorbei treiben.
Und das dritte schwimmt im Whiskey-Glas in unserer Hand, waehrend wir mit offenen Muendern und der Kamera im Anschlag an der 70 m hohen Gletscherwand vorbei tuckern. Keine 100 m vom Gletscher entfernt erscheint unser Boot ploetzlich winzig. Was aber am meisten beeindruckt sind die unglaublichen Blautoene in den Spalten und Rissen des Eises.
Whiskey on the rocks mit anderen Schweizer Radlern
Glaciar O’Higgins
Wenig spaeter sind wir wieder in der Welt der Velofahrer, haben den chilenischen Ausreisestempel im Pass und schieben Artax und Ygramul einen steilen Weg hinauf. Als wir abends im Niemandsland uebernachten, haben wir das schwerste Stueck aber noch vor uns, denn der Pfad nach Argentinien ist knapp zu schmal fuer die bepackten Raeder. Zusammen mit zwei deutschen Radlern balancieren wir unsere Stahl-Pferdchen aber recht problemlos ueber schmale Bruecken und Baumstaemme, tragen sie ueber einen sprudelnden Gletscherfluss und raeumen kleine Baeume aus dem Weg.
Velowandern…
Anmerkung der Redaktion: Gletscherfluesse sind arschkalt!!!
Als wir dann den Fitz Roy ueber der Lago del Desierto tronen sehen, wissen wir aber, dass sich jeder einzige Schweisstropfen gelohnt hat. Wir steigen zum argentinischen Grenzposten ab, tuckern ueber den See, treffen nach weiteren 40 km bei Abendlicht in El Chalten ein und probieren uns von den Touristenmassen nicht allzufest schocken zu lassen.
Ein winddurchtrostes Stueck Land auf dem sich ein Zelt ans andere reiht, zwei fliegenumschwaermte Plumps-Klos und ein einziger Wasserhahn der nicht einmal Trinkwasser spuckt – Ich geb’s zu, auf den ersten Blick wirkt El Chaltens Gratis-Camping nicht gerade einladend, doch verrueckterweise ist es genau das, was ihn zu einem unvergesslichen Ort macht. Denn dadurch, dass sich jeder vernuenftig denkende Tourist einen anstaendigen Campground leistet kommt es, dass hier die Bergsteiger, Kletterer, Guides und ein paar andere Freaks unter sich bleiben. So entsteht eine gemuetlich-sportliche Stimmung. Man tauscht mit den Zeltnachbarn Informationen, Erdbeerkonfituere und Buecher aus und laedt sich abends zu Pasta vom Benzin-Kocher ein.
In Rekordzeit organisieren wir uns zwei occasions-Rucksäcke, füllen sie mit Food für sechs Tage und marschieren Richtung Laguna Torre los. Ein zackiger Gletscher kriecht hier vom berühmten Cerro Torre herunter und bricht schliesslich in einen Bergsee ab: Ein atemberaubender Anblick! Auf unserem Trek werden wir insgesamt vier dieser imposanten Gletscherzungen zu sehen kriegen. Was man auf Reto’s Fotos leider nicht sehen kann ist das Knacken und Donnern, das von den Gletschern ausgeht und uns manchmal an ein Schweizer Sommergewitter erinnert.
Cerro Torre
Die Etappe bis zum Camp Poincenot ist etwas weniger spektakulär. Dafür kriechen wir am naechsten Morgen ganz schoen frueh aus den Federn und steigen bei Nacht zur Laguna de los Tres auf um von da den Sonnenaufgang zu beobachten. Und tatsaechlich taucht die Sonne den Fitz Roy in das goldene Licht, das die meisten Touristen nur gerade auf den unzaehligen Postkarten zu sehen bekommen, denn allzu oft verdecken die Wolken die Sonne, den Berg oder beides zusammen.
Fitz Roy
Laguna de los Tres
Von hier wollen wir den Cerro Madsen erklettern, denn ein optimistischer Bergsteiger hatte gemeint, das sei hoechstens eine 1+. So ganz ohne Seil wird’s uns dann aber doch zu brenzlig und wir kehren schon etwas vor dem Gipfel um. Die Aussicht auf die umliegenden Gipfel auf der einen Seite und die weite flache Pampa Argentiniens auf der anderen Seite ist aber auch von da enorm!
Piedras Blancas
Am fuenften Tag sind wir laengst aus dem Nationalpark heraus und einigermassen “off the beaten Track” – koennte man zumindest meinen. Doch sogar auf dem Cerro Electrico wo es keinen Weg mehr gibt und der Blick auf’s Campo Hielo del Sur frei wird, treffen wir ploetzlich auf ein Zelt zwischen den Felsen und ein paar Kletterer, die sich allesamt ueber den starken Wind klagend auf den Abstieg machen.
Entgegen Reto’s Prophezeiungen sind wir schliesslich auf dem Rueckweg ohne unterwegs verhungert zu sein. Das letzte Stueck fuehrt allerdings entlang einer Schotterstrasse, die wir schon vom Velofahren her kennen. Wir halten deshalb den Daumen raus und werden von Lolo mitgenommen. Als Guide-Assistent verdient er nicht viel und wohnt dauerhaft im Zelt auf dem selben Gratiscamping wie wir. Ein Trinkgeld für’s Mitnehmen will er trotzdem nicht: Wenn wir ihm ein Bier spendieren wollten, muessten wir schon selbst in die Cerveceria kommen!
Selbstverstaendlich machen wir das und landen schlussendlich an einem kleinen Openair-Konzert im Rahmen eines Kletter-Wettkampfs, philosophieren ueber Gott und die Welt und sind froh unterdessen etwas Spanisch zu sprechen, da solche Begegnungen sonst unmoeglich waeren…
“Eigentlich will ich hier gar nicht weg”, jammert Reto als der Fitz Roy hinter uns immer kleiner wird und wir mit starkem Rueckenwind und 40 km/h durch die flache Pampa segeln.
90 Kilometer spaeter machen wir eine Kurve und holpern mit einem Fuenftel der vorherigen Geschwindigkeit weiter. Es gibt viele Gruende den Wind zu hassen, der tiftigste aber ist das unablaessige, ohrenbetaeubende Geraeusch, das koennt ihr uns glauben: Wir hatten genuegend Zeit um darueber nachzudenken!
Dieses Schild bedeutet uebrigens nicht “Achtung Rennpalme”!!!
Drei Tage spaeter treffen wir in El Calafate ein und nutzen das gute Wetter um den beruehmtesten aller patagonischen Gletscher, den Perito Moreno zu besuchen. Er ist einer der wenigen, die noch immer wachsen: Satte zwei Meter schiebt er sich jeden Tag weiter und die gleichen zwei Meter brechen dann vorne in den drittgroessten See Suedamerikas ab.
Bereits seit einer vollen Stunde zielt Reto mit der Kamera gespannt auf ein riesiges Eisstueck und beschwoert es endlich abzubrechen als ein deutscher Tourist neben ihm seine Film-Kamera auspackt und hineinspricht: “So, jetzt nehmen wir mal auf wie das Ding da ins Wasser faellt!”. Kaum 10 Sekunden spaeter donnert das einfamilienhausgrosse Eiswuerfelchen ins Wasser, Reto versteht die Welt nicht mehr und dass ich exakt in dem Moment auf dem Klo war versteht sich ja von selbst 😉
Link Gletscherabbruch Perito Moreno (1.2 MB!)
Besos fast vom Ende der Welt,
Reto und Petra