Patagonien pur
“Wer durch Suedpatagonien und Feuerland radelt, kriegt graue Haare, garantiert!
Ein Programm für absolute Radpuristen denen auch Hunger und Durst nichts ausmachen.” Dies lesen wir im Fahrrad-Welt-Führer über die Route nach Ushuaia und auch Reisende die aus dieser Richtung kommen, erzählen hauptsächlich von Sturmwinden und einer Landschaft, die sogar aus dem Busfenster langweilig wirkt. Toll!
Schweren Herzens packen wir deshalb unser Hab und Gut von den Velotaschen in Rucksäcke um, legen die Velos in den Bus und überlassen jenen Strand, der irgendwann per Zufall am Südzipfel des Kontinents zu liegen kam, all jenen, die gerne Linien auf die Landkarte zeichnen…
Pflatsch, pflatsch, platsch macht es und Reto flucht leise hinter seiner Kamera hervor. Wie kleine Delphine springen die Pinguine neben dem grossen Fährschiff her. Allerdings so schnell und in so grosser Zahl, dass der Arme gar nicht mehr weiss, wo er mit der Kamera hinzielen soll. Schliesslich watscheln sie aber auf der Isla Magdalena zwischen den anderen 64’000 (!) Pinguin-Paaren an Land, die hier ihre flauschigen Jungen aufziehen.
Zum Teil interessiert und zum Teil gelangweilt beobachten sie die vielen Homo Sapiens, die nun zum Leuchtturm und zurück watscheln. Verwundert äugt einer dieser schwarz-weissen Zwerge aus nächster Nähe in die Kamera hinein, fragt sich vielleicht, was Reto wohl in diesem kleinen schwarzen Kasten interessantes sehen kann und wenn jemand von uns den Kopf dreht macht er es begeistert nach.
Zurück in Puerto Natales campieren wir mal wieder im Garten des Casa Lili, einer freundlichen Chaos-Bude, dessen warme Küche jeden Tag von Neuem hoffnungslos überfüllt ist. Obwohl hier immer wieder andere Backpacker ihre Pfannen auf den Herd stapeln, scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass jeder mit jedem plaudert und man miteinander teilt, was man halt hat.
Einen Tag später sind wir da wo sich die teuersten Marken-Jacken aus aller Welt treffen und wackeln zusammen mit einer Menge anderer Hiker einmal um das Torres del Paine-Massiv herum. Wie alle anderen, können wir zu Beginn des 9-Tages-Treks die Food-gefüllten Rucksäcke kaum tragen, wandern durch weite Ebenen mit Sicht auf die frisch verschneiten Berge, stämmen uns auf dem Paso John Gardner gegen den Wind, machen trotz strömendem Regen die Umrisse des riesigen Grey-Gletschers aus und trocknen abends die nassen Schuhe am Feuer.
Wie ein riesiger See breitet sich der Gletscher unter uns aus, während wir hoch über ihm dahin wandern. Am folgenden Tag gehts weiter zum blauen Lago Pehoe, wo der Wind wütig an unseren Rucksäcken zerrt. Wir schauen uns zwar auch das Valle Frances an und klettern zu den Torres hinauf um einen wolkenverhangenen Sonnenaufgang anzuschauen, doch so richtig bezaubern kann uns der berühmte Nationalpark erst, als wir am zehnten und letzten Tag auf dem Mirador Condor stehen und das eindrückliche Massiv von Weitem sehen, während einer der gleichnamigen Greifvögel so oft vor unseren Nasen vorbei fliegt, bis auch Reto das richtige Objektiv aufgeschraubt hat.
Cuernos vom Valle del Frances
Sonnenaufgang vom Torres del Paine
Torres del Paine
Condor
Dass wir dies Erleben verdanken wir nicht nur einer Reihe von Zufällen, sondern auch Sabine und Stefan mitsamt ihren crazy Radlerkollegen aus Australien und Holland. Wegen fehlenden Busverbindungen, knurrendem Magen und leerem Rucksack wären wir nämlich schon fast zurück nach Puerto Natales gefahren, hatten uns im letzten Moment aber doch noch entschieden zu diesem Aussichtspunkt hinaus zu stöppeln und da unerwartet die beiden Freunde angetroffen. Natürlich sind wir geblieben und durften nicht nur einen lustigen Radler-Abend, sondern auch einen unerhört schönen Sonnenaufgang erleben. Einen würdigeren Patagonien-Abschluss hätten wir uns gar nicht wünschen können!
Cuernos del Paine
Woelfchen beim Doktor: Bei der Operation “Magura” muss eine Bremsfluessigkeits-Infusion gelegt werden!
Ja, wir denken tatsächlich langsam daran uns auf den Heimweg zu machen. Es wird wohl auch langsam Zeit, denn unterdessen sind die Ritzel unserer Räder so abgenutzt, dass das Fahren bald unmöglich würde, die Zelt-Reissverschlüsse so kaputt, dass wir einen davon bereits zunähen mussten, die Isomatten so undicht, dass wir jeweils schon nach 4 Stunden auf dem kalten Boden liegen und die Schuhe so zusammengeflickt, dass wir ihnen den letzten Trek nicht mehr zutrauen konnten…
Zum Abschluss noch das gesamte Paine-Massiv
Danke für alle bisherigen Comments und hasta pronto,
Petra und Reto