Mongolias wild, wild west

Sänbeinooo!

Gemütlich holpern unsere Räder über die kleine Schotterpiste während Ölgii hinter uns immer kleiner wird…

Die letzten Tage in Ölgii und in Ulaanbaatar hatten wir damit verbracht, Infos über die bevorstehende Route zu suchen. Keine einfache Aufgabe, denn die Sprachbarriere ist enorm – grösser noch als in jedem anderen Land das wir bisher bereist hatten. Da ändert auch ein kurzer Sprachkurs nicht viel daran. Es gibt zwar ein paar Kids, die “Hello, what’s your name?” sagen können, aber darüber hinaus kommt man praktisch nie.


Ölgii downtown mit letztem Asphalt für die nächsten 1’000 km!

Auch der Tourismus hier im Westen der Mongolei scheint noch in Kinderschuhen zu stecken. In Ölgii gibt es gerade mal zwei brauchbare Ger Camps wo sich dann alle Touristen treffen – sprich ein paar Motorrad- und Jeepfahrer und vielleicht auch mal ein verlorener Backpacker. Wenigstens hier funktioniert der Informationsaustausch bestens: “Could you burn dried cow shit? For us it didn’t work, just produced a lot of smoke.” – “For us it worked very well actually. Produced a lot of smoke too, but because of that the Nomads arrived and brought us some firewood.” Oder ein Schweizer und ein Holländer nachdem sie einen Tag lang unter einem lottrigen Jeep glegen haben: “How far do you think you can get now?” – “Hmmm… I think we fixed it twice as good as the Kasachs, so I should be able to do 50 km now.”

Reto seinerseits macht mit seinen GPS-Kenntnissen Menschen verschiedenster Nationen glücklich. Ein Australier schenkt ihm dafür sogar einen Wassersack, um den wir noch sehr froh sein werden und von einer Motorrad-Reisegruppe kriegen wir einen GPS-Track, den sie eben gefahren haben. Dies ist sehr viel Wert in einem Land, in dem oft viele Jeepspuren parallel verlaufen, währenddem die Äusserste langsam abzweigt, ohne dass man es wahrnimmt.


zehnspurige Autobahn – mongolian style…

Die Problemstellung ist für Motor-Touristen allerdings eine völlig andere als für uns Radler. Sie sorgen sich eher um einen abgebrochenen Auspuff oder einen Kühlschrank, der jedes Yoghurt im Nu in ein Glace verwandelt. Ich dagegen mache mir ehrlich gesagt jede Menge Sorgen um fehlende Wasserlöcher, betrunkene Mongolen, tollwütige Hunde und sogar Wölfe, währenddem sich Retos Sorgen wie immer hauptsächlich aufs Essen beschränken… was unweigerlich zu einem tonnenschweren Foodsack führt – Naja, wenigstens schaukelt der tonnenschwere Foodsack nun auf einer ebenfalls tonnenschweren neuen Sputnik-Felge von Reto in die Steppe hinaus. Da kann ja eigentlich nix passieren. 🙂

Jetzt wo wir endlich unterwegs sind, schlägt die zufriedene Ruhe der Steppe aber sofort auf uns über. In dieser riesigen Landschaft wirken selbst unsere Bedenken und Unsicherheiten auf einmal ganz klein.

Die ersten Tage sind der Höllenwahnsinn – wir pedalen mit offenen Mündern dahin. Diese weiten Ebenen voll mit Natur und nur Natur kann man sich als Schweizer einfach kaum vorstellen. Selbst Retos Kamera vermag sie nicht einzufangen. Diese Welt passt schlichtweg nicht in einen Kamerasucher, keine Chance!

Nach einem Tal kommt das nächste und jedes sieht etwas anders aus als das vorhergehende. Mal grüne Grasbüschel, mal beiger Sand, mal dunkle Mondlandschaft – allesamt riesengross und unbewohnt. Oberhalb des Achit Nuur stellen wir dann zum ersten Mal unser Zelt. Dies ist der grösste Süsswassersee der Mongolei – schön gelegen und vor allem bei den Moskitos sehr beliebt. Als wir am nächsten Morgen losradeln fürchtet Reto bald unter Blutarmut zu leiden.

Nur ab und zu rumpelt uns ein grosser Truck entgegen. Dann weichen wir jeweils grosszügig aus, denn setzt man die Anzahl leerer Wodka-Flaschen am Strassenrand mit der Anzahl Fahrzeugen in Relation, dann lässt dies nur den Schluss zu, dass hier kaum jemand nüchtern unterwegs ist. Und tatsächlich kann sich so mancher Truckfahrer kaum auf den Beinen halten, wenn er mal vom Führerstand hinunter klettert.

Viel häufiger als das Knattern der Trucks ist aber das Knattern dieser lustigen Insekten zu hören. Sie sind etwa fünf cm lang und sitzen gut getarnt am Boden. Etwa alle 30 Minuten hüpfen sie dann auf und flattern während einiger Minuten lautstark durch die Luft. Danach ist die Steppe wieder ruhig.

Der nächste Pass ist dann voll von diesen ekelerregenden Kriechviechern, von denen wir nicht so genau wissen, ob es sich dabei um flugunfähige Panzerkäfer oder um zu dick geratene Skorpione handelt. Sie sind ebenfalls etwa 5 cm gross, haben einen spitzen Schwanz und die Strasse ist komplett voll damit… was mich irgendwie an diesen Indiana Jones-Film erinnert… Igitt!

Unterdessen sind wir im nächsten Tal und die Sonne brennt wiedermal unerbittlich vom Himmel. Unter gröstem Kraftaufwand mache ich drei Pedalumdrehungen. Danach steht mein Velo immer noch am gleichen Ort und ich verliere das Gleichgewicht. Ein paar Kamele trotten vor mir über den Jeep-Track und glotzen mich blöd an währenddem ich meinen Drahtesel aus dem knöcheltiefen Sand ziehe. Genau aus dem Grund haben wir NICHT den Weg durch die Gobi gewählt!

Die Sonne ist sowieso das, was wir am allermeisten unterschätzt haben. Sie brennt Tag für Tag als gäbe es kein morgen… und die Tage sind lang in diesen Breitengraden! Das wäre ja alles gut und recht wenn man sich nur irgendwo verkriechen könnte. Bäume haben wir schon lange keine mehr gesehen und schattenspendende Felsen oder so was gibt es hier nicht. Wenn mal kein Wind geht hat man also nur die Wahl an der Sonne gebraten oder im Zelt gekocht zu werden. Dafür ist es umso schöner im warmen Abendlicht mutterseelen alleine durch diese unendlich weiten Landschaften zu rollen, währenddem grosse Greifvögel über uns ihre Runden ziehen.

Oft ist man dann aber doch weniger mutterseelen alleine als man denkt, denn immer genau dann, wenn man das Gefühl hat alleine auf der Welt zu sein, entdeckt man eine Jurte unten am See, ein Motorrad auf einem anderen Track oder es kommt auf einmal ein Reiter über die Ebene.  Als wir es an einem Abend nicht für nötig halten unser Zelt “unsichtbar” zu machen (was in der weiten Steppe sowieso eine echte Herausvorderung darstellt), kriegen wir innerhalb von zwei Stunden drei Mal Besuch.

Und siehst du einmal den Mongolen nicht, so sieht zumindest er dich ganz bestimmt, denn das Fernglas ist das Lieblingsspielzeug eines jeden Nomaden und ich habe ehrlichgesagt keine Ahnung, wie oft ich hier schon gepinkelt habe ohne dabei beobachtet worden zu sein. Jeder spiegelt hier jeden und Reto ist mit seinem Tele-Objektiv natürlich ebenfalls ganz dick im Geschäft…

Liebe Grüsse aus einem Land, in dem das Internet noch keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb wird es wohl noch lange dauern, bis ihr diesen Eintrag lesen könnt….

Petra und Reto


Ab und zu leisten wir uns auch mal ein Hotelzimmer 😉


Golden Eagle im Westen der Mongolei…


… werden traditionellerweise zum Jagen eingesetzt.


The real cowboys!

 

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2 Comments on “Mongolias wild, wild west”

  1. WOOOOWWWWW! so cool und danke für die tolle tolle Bilder!
    e wünsche e ganz e gueti Zit.

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