Velowandern auf dem Applepie Circuit

Schon wieder sind wir auf diesen Schweiss-aus-allen-Poren-treibend-steilen Jeeptracks unterwegs, die auf keiner Karte verzeichnet sind und von denen man nie so genau weiss, wo man wieder heraus kommt. Aber solange uns die immer freundlichen Locals mit dem wie-zur-Hölle-habt-ihr-euch-hierher-verirrt-Look auf dem Gesicht eine Richtung weisen wenn wir nach „Besi Sahar“ fragen, pedalen wir mal fröhlich weiter durch den Busch.

Besi Sahar ist der Startpunkt des bekannten Annapurna Circuits… und unserer Ritzelprobleme. Diese sind nämlich schon wieder so ziemlich abgefahren und die Kette verklemmt deshalb sobald wir sie stark belasten. Dies ist ein durchaus schlechtes Zeichen – vor allem am Fusse eines 5‘000m-Anstiegs. Frisch geölt geht‘s zwar etwas besser, aber das teuere Dry-Season-Veloöl, das wir in Kathmandu erstanden hatten, scheint sich in Minutenschnelle in Luft aufzulösen. Da es noch ein paar Jeeps bis hierher schaffen, erkundigen wir uns nach Motorenöl. Das kriegen wir zwar nicht, aber unsere Guesthouse-Besitzerin schlägt vor, sie hätte Butterlampenöl. Und mit Butterlampenöl auf der Kette schaffen wir es dann auch problemlos über den 5‘400m hohen Thorong Pass.

Gerade mal zwei Monate alt ist die Strasse, auf der wir nach Chame pedalen. Mit ihren grossen, losen Steinen und steilen Rampen stellt sie zwar immer noch eine Herausforderung dar, erspart uns aber fast all die früheren Tragepassagen auf dem Weg nach Manang.

An einigen Stellen hat auch diese Strasse einen gewissen Bachbettcharakter…

Abgesehen von uns scheint allerdings niemand die neue Strasse zu mögen. Die Gueshousebesitzer klagen darüber, dass die meisten Touristen nun in den Jeeps vorbei brausen und sie davon nichts als aufgewirbelten Staub hätten und auch wer noch zu Fuss daher kommt ist nicht sonderlich angetan von den langen Strassenabschnitten. Nur die kleinen Schulkids sind begeistert, wenn sie ein Stück auf Reto‘s Gepäckträger mitreiten dürfen und ein Bauer packt ihm eine grosse Ladung Grünzeugs hinten drauf, die wir im nächsten Dorf, im Tausch gegen zwei Äpfel, seiner Frau abgeben.

Nach drei Tagen erreichen wir ein breites Hochtal, das uns in Sachen Landschaft und Kultur stark an Ladakh erinnert, aber trotz unzähliger Trekker noch viel von dem Zauber bewahrt hat, der dem Industal bereits verloren gegangen ist. Vielleicht erscheint uns dies aber auch nur so, da die Saison eigentlich schon zu ende ist und nur noch wenige Touristen unterwegs sind.

Von hier aus machen wir uns zu Fuss auf ein viertägiges Akklimatisationstürchen zum Tilicho See. Der Routenbeschrieb in unserer (ziemlich veralteten) Ausgabe des „einsamen Planeten“ tönt so haarsträubend, dass wir uns extra Trekkingstöcke mieten. Doch als uns selbst eine eher tapsig wirkende Chinesin versichert „No danger – fun!“, steigt die Zuversicht und tatsächlich ist der Weg, der die steilen Kieselfelder quert, unterdessen an den meisten Stellen befestigt.

Zur Aussicht über den knallblauen See (es soll der höchste auf Erden sein) und die dahinter stehenden Schneeberge, lasse ich wohl besser Reto‘s Bilder sprechen.


The “North Face”

Zu erwähnen bleiben einzig die skurilen Geräusche, die der Wind erzeugt wenn er über das Eis und/oder die Felsen streicht und vielleicht auch der Träger, der uns abends am warmen Ofen des Tilicho Basecamps erzählt, wie er zusammen mit anderen Männern eines Tages von den Maoisten aus seinem Dorf geholt, in den Wald verschleppt und für den Krieg ausgebildet wurde. Drei Jahre lang musste er für sie kämpfen, bevor es ihm gelang davonzulaufen. Und das obwohl er doch gar nix mit Politik am Hut habe. Es mache doch gar keinen Sinn sich gegenseitig zu töten. Das einzige Resultat dabei sei, dass die Politiker immer noch dicker würden.

Mit der gletscherbedeckten Annapurna Range im Rücken pedalen wir schliesslich auf einem hübschen Singletrail nach Thorong Phedi hoch und sind wieder mal über den Luxus erstaunt: Apfelkuchen gibt’s hier echt bis zu oberst und sogar einen Heizstrahler, der vom kleinen Wasserkraftwerk gespiesen wird, haben wir unter dem Tisch!

Weiter geht’s dann definitiv nur noch zu Fuss. Wir packen die Räder deshalb oben auf den Rucksack drauf und sind knapp eine Stunde später beim High Camp. Ab hier lässt sich das Rad bis zur Passhöhe hinauf schieben aber dafür macht sich nun die immer dünner werdende Luft bemerkbar – zumindest bei mir und den anderen Wanderern. Nur Reto scheint davon wiedermal genau gar nix zu spühren und rennt mit seinem Velo in einem Affenzahn eine Rampe um die andere hinauf um dann wieder zurück zu kommen und mir meines abzunehmen. Kein Wunder, dass wir so selbst noch vor den Leichtgepäck-Wanderern oben ankommen.


Thorong La – mit 5’400 m unser höchster “Velopass” bisher 

Von hier windet sich ein wunderschöner Singletrail hinunter ins Tal, der uns allerdings im Nu daran erinnert, dass unsere Mountain Bikes zu Hause im Keller stehen und der Schwalbe Marathon Strassen-Pneu für so Zeugs eigentlich nicht wirklich geeignet ist. Begleitet von den lautstarken „Aaaaahs“ und „Oooohs“ einer chinesischen Reisegruppe zirkeln wir schliesslich um die letzten Haarnadelkuven. Reto lässt sich von ihnen sogar dazu verleiten eine kleine Show abzuziehen und rasselt mit Schwung vor ihren Nasen eine ganze Treppe hinunter. Diesmal vergessen sie sogar komplett zu „aaahen“ und „ooohen“ und übrig bleiben einzig grosse Augen und der intuitive Griff zur Kamera.

Muktinath liegt in einem hübschen Tal und alleine schon die Tatsache, dass hinduistische Pilger zu Fuss und einzig in ein paar Tücher gehüllt, tausende von Kilometern zurücklegen um hierher zu kommen, ist ein Grund hier zu bleiben – per Fahrzeug transportiertes Bier ein zweiter.

Gut geschuettelt kommen wir zwei Tage später unten an und düsen auf Asphalt zurück nach Pokhara. Im hoch über der Stadt tronenden Sarankot machen wir aber nochmals Halt um ein Nachtessen über Pokharas Lichtermeer, eine abenteuerliche Rattenjagd im Zimmer und einen Sonnenaufgang über dem eben umradelten Bergmassiv zu geniessen.

Liebe Grüsse aus dem Applepie Country,

Petra und Reto

 

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